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Fahrverbot: Wann kann ausnahmsweise davon abgesehen werden?


Niemand lässt sein Auto gerne stehen. Liegt ein Fahrverbot in der Luft, kann der Übeltäter manchmal mit einem blauen Auge davonkommen. Mal ist es der herabgesetzter Handlungs- oder Erfolgsunwert des Pflichtenverstoßes, manchmal ist die Erziehungswirkung, die das Verbot erzielen soll, bereits anderweitig eingetreten. In solchen und ähnlichen Konstellationen, kann von dem Fahrverbot abgesehen werden.

Auch erhebliche und unvermeidliche Härten können zum Absehen vom Fahrverbot führen. Welche Gründe kommen in Betracht?

Irrtumsfälle/ Notstandsähnliche Lagen

Notstandsähnliche Lagen, auch im Fall des Vorliegens eines Irrtums können zur Nichtauferlegung des Fahrverbots führen, da der Handlungsunwert der Tat vergleichsweise niedrig ist. Dies betrifft in den meisten Fällen Ärzte, die zu einem Notfall gerufen werden oder von einer solchen Gefahrensituation aufgrund bestimmter Anhaltspunkte ausgehen durften. Wiederholungstäter können sich nicht auf Irrtum oder notstandsähnliche Lagen berufen.

Mitverschulden

Ein erhebliches Mitverschulden der anderen Verkehrsteilnehmer kann ein Argument für ein nicht angebrachtes Fahrverbot sein. Zu berücksichtigen ist der Anteil der Unfallbeteiligten und die jeweiligen Möglichkeiten der Verhinderung des Unfalls.

Nachträglich geänderte Beschilderung

Ein Absehen vom Fahrverbot kommt in Betracht, wenn sich nach dem Verstoß die Beschilderung an dem Tatort so verändert hat, dass nach der neuen Lage bei gleichem Verhalten entweder gar kein Verkehrsverstoß oder ein wesentlich geringer zu ahnender Verstoß vorliegt.

Erziehungswirkung auf andere Weise

Ist eine lange Verfahrensdauer zu konstatieren, deren Ursache außerhalb des Einflussbereichs des Betroffenen liegt, und hat sich der Betroffene in der Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten, kann das Fahrverbot seinen erzieherischen Sinn und Zweck verloren haben. Eine verbindliche „Verfallfrist“ gibt es nicht, jedoch wird nach Ablauf von ca. zwei Jahren diese Problematik in der Rechtsprechung diskutiert.

Besonderes, positives Nachtatverhalten

Es kann hilfreich sein, nach dem Verstoß bis zum Abschluss des Bußgeldverfahrens an Nachschulungen oder Aufbaumaßnahmenteilzunehmen. Manche Gerichte hat dies schon zu einer Aufhebung bzw. Nichtverhängung des Fahrverbots bewogen (BayOLG, Beschluss v. 5.7.1995, 1 ObOWi 189/95).

Erhebliche und unvermeidliche Härten

Von einem Fahrverbot kann abgesehen werden, wenn die Existenz des selbständig tätigen Betroffenen gefährdet ist oder bei einem Angestellten konkret der Arbeitsplatzverlust droht.

Einfache Nachteile beruflicher oder wirtschaftlicher Art wie Zeitverlust und finanzieller Mehraufwand reichen nicht aus, um ein Fahrverbot zu vermeiden.

Ein Fahrverbot muss verhängt werden, wenn die Härten abgemildert werden können, beispielsweise durch

● Urlaubsmöglichkeiten,

● die Einstellung eines Fahrers nebst finanzieller Möglichkeit hierzu,

● Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel,

● Hilfsmöglichkeiten durch Freunde und Verwandte,

● bei Selbständigen innerbetriebliche Reorganisationsmaßnahmen.

Wird mit dem drohenden Verlust des Arbeitsplatzes argumentiert, reicht nicht die bloße Behauptung. Die Ernsthaftigkeit der Kündigungsdrohung muss mit aktuellen Arbeitgeberbescheinigungen bzw. dessen Zeugenaussage belegt werden.

Subjektiv mildernde Umstände können sich aus der Persönlichkeit des Betroffenen oder unmittelbarer Angehöriger, insbesondere in Behinderungs- oder Krankheitsfällen ergeben. Dabei müssen Schwere der Behinderung, die Auswirkungen der Behinderung auf das Leben des Betroffenen, der Grad der Abhängigkeit des Betroffenen von der Fahrzeugnutzung und nicht existierende Alternativen hinreichend dargelegt werden.

Beispiel: Vom Fahrverbot Betroffene ist eine allein lebende, querschnittsgelähmte Rollstuhlfahrerin, die auf die Benutzung des Fahrzeugs angewiesen ist.

Fazit: Sowohl auf Tatbestandsebene als auch auf Rechtsfolgenseite finden sich diverse Ansätze für eine Verteidigung, die angesichts der strengen Rechtsprechung kumulativ und voll ausgeschöpft und mit so vielen wie verfügbaren Beweismitteln wie Fotos, Zeugen, Skizzen, Bescheinigungen unterlegt werden sollten.

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